Montag, 18. April 2011

Togian Islands

Nimm alle "kleine Insel nur für mich" - Klischees, nimm Palmenstrände, pitoresk aus dem Wasser ragende Felsen, dschungelbewachsene steile Hänge, knete sie zu einer Reihe von Inseln und Inselchen, schmeiss in das blaugrüne Wasser dazwischen sämtlichen Krempel an Korallen und Viechzeug den du in Unterwasserdokumentationen gesehen hast, ziehe Telefon und Internet ab und du hast die Togian Islands. Dafür, dass der nächste Hafen, der weit ab ist von allem anderen, nochmal zwanzig Bootsminuten entfernt ist und selbst das Wasser von dort geholt werden muss, ist Black Marlin Diving ein recht luxuriöses Tauchresort. Nette Bungalows, etwas stickig, Vollpension, super Tauch- und Schnorchelmöglichkeiten und dazu einen Tauchgott als Leiter und Lehrer. Der kommt allerdings gar nicht besonders göttlich rüber sondern ausgesprochen ruhrpöttlerisch handfest. Erst allmählich kommt heraus, wie erfahren er ist. Der Mann sitzt hier gemütlich mit Frau und kleiner Tochter und bringt dir Tauchen bei. Und er will, dass du wirklich etwas lernst. Ein riesiger Unterschied zum Verfahren meines Open Water Kurses: "lies dir den Kram durch, ah gut, Fehler haste keine gemacht bei den Tests, dann gibts ja eigentlich nix mehr zu sagen".
Also habe ich mich entschlossen, trotz meiner Handvoll Tauchgänge, hier direkt den Advanced Open Water zu machen, ohne den du offiziell nicht tiefer als achtzehn Meter gelassen wirst. Allerdings wird oft bis fünfundzwanzig oder dreißig Meter getaucht. Dreißig gilt denn auch als vernünftige und vierzig als absolute Grenze für Sporttaucher.
Er schaut sich mich bei einem ersten Tauchgang an und meint, das geht klar mit dem Advanced Lehrgang. Es wird für mich eine fordernde Angelegenheit werden.
Wieder gibt es jeden Abend zu lesen und hier wird das Ganze ausführlich besprochen. Der erste Tauchgang des Kurses ist gleich der Tieftauchgang. Der zeigt mir vor allem, wie wichtig es ist, einen Tauchgang sorgfältig zu planen, oder wie es Wolf sagt: plane deinen Tauchgang, tauche deinen Plan. Zuerst geht es auf dreißig Meter, dort muss ich einige Rechenaufgaben erledigen. Es geht erstaunlich viel langsamer und fehlerhafter als an Land ohne dass man es realisiert. Der Stickstof benebelt einem das Hirn, die Anfänge des berühmten Tiefenrauschs. Man glaubt, dass man ähnlich schnell wie am Abend vorher am Tisch rechnet. Die Stoppuhr beweist das Gegenteil.
Normalerweise taucht man in diesem Kurs von hier wieder langsam auf. Wolf dagegen will wissen, ob ich mich gut fühle für mehr, denn da er mir zertifizieren wird, dass ich bis an die Vierzig darf, findet er, dass ich auch mal da gewesen sein sollte. Es geht durch etwas Freiwasser schräg hinunter zu einem Felsen mit steilen Wänden, dessen Oberseite ungefähr bei Achtunddreißig liegt. Kurz werden wir an der Seite mal bis Einundvierzigfünf geraten. Es ist eine ehrfurchtgebietende Menge Wasser über dem Kopf, man nimmt jeden Atemzug einzeln war, es geht alles etwas schwerer und die meisten Farben außer Blau sind verschwunden. Eine Menge davon ist sicherlich dem Stickstoff geschuldete Einbildung obwohl ich nichts von der bekannten Euphorie oder Sorglosigkeit verspüre.
Es gibt hier einiges an größeren Fischen, allerdings noch weiter unten. Haie oder Rochen kommen leider keine vorbei. Wir tauchen langsam zurück zur Wand und an ihr entlang höher. Bei zwanzig Meter wird ein Zwischenstopp eingelegt. Zeitweise waren wir in einer Dekompression, das heisst, wären wir direkt aufgetaucht, hätte sich der im Gewebe angereicherte Stickstoff als Bläschen gelöst und wir hätten die wirklich häßliche Taucher- oder Dekompressionskrankheit bekommen können. Man muss, um ihr entgegen zu wirken, Dekompressionsstopps einlegen, um dem Blut unter Druck Zeit zu geben, den Stickstoff langsam wieder über die Lunge abzugeben. Da wir langsam weiter auftauchen, werden wir bald wieder aus der Deko heraus sein.
Trotzdem legen wir einen längeren Sicherheitsstopp mit einem Hangtank ein. Das ist eine Pressluftflasche, die an einer Boje auf fünf Meter herabgelassen wird und aus der man atmet anstelle der eigenen Flasche. Hier wird deutlich, warum die Planung wichtig ist, denn die Unfälle passieren, wenn man eigentlich einen Dekostopp einlegen müsste, schlichtweg dafür aber die Luft fehlt. Grundsätzlich sollen Sporttaucher daher überhaupt nicht in eine Deko hineintauchen. Der Stopp mit dem Hangtank wäre so nicht nötig gewesen, aber es ist eine gute Erfahrung, mal aus einem Rüssel zu atmen, der von seiner Boje mit Karacho übers Riff gezogen wird.

Ich werde jetzt versuchen, nicht zu viel mit Tauchkram zu nerven, aber etwas Anderes habe ich hier nicht gemacht, abgesehen von Schnorcheln. Am selben Abend geht es zum Nachttauchgang, mit Taschenlampen wird vor allem nach Makrolebewesen gesucht und mir deutlich vor Augen geführt, dass ich viel an meiner Unterwasserbalance arbeiten muss.
Der nächste Lehrgang ist Orientierung, am Strand peilen wir uns mit dem Kompass von Palme zu Palme und laufen Quadrate ab. Unter Wasser gilt es erst über Sandboden das Selbe zu machen, die Strömung kann einen dabei ganz schön verwirren, dann führt uns Wolf auf einen hübschen langen Tauchgang und am Ende soll ich den Weg zurück finden. Da es viel Sandboden gibt, fehlen Orientierungspunkte, besonders um zu entscheiden, in welche Richtung es geht, die Sicht ist auch nicht besonders gut. Der erste Punkt ist zum Beispiel eine kleine Anemone auf der Sandfläche und ich bin sehr froh, als ich sie sehe, sonst wäre die Sache hier schon vorbei gewesen. Wolf meint, dass nur ungefähr zwanzig Prozent seiner Schüler diese Aufgabe schaffen. Es geht weiter von Korallenblock zu Holzstück zu anderen Korallen. Einmal verhaue ich mich, sie werden mir später erzählen, dass sie sicher waren, dass ich jetzt aufgeben muss, aber ich werde von der Strömung etwas mehr in die Richtung gebracht in die ich musste, erkenne eine Koralle wieder, muss noch einmal quer über die Sandfläche und finde glücklich den Stock, den Wolf am Anfang in den Sand gesteckt hat.
Der Drifttauchgang wird zu einer eher gemütlichen Angelegenheit weil man sich von der Strömung tragen lässt, wobei gemütlich bei Wolf relativ bleibt, er paddelt in der Strömung noch genug hin und her. Es gibt hier schöne Fächerkorallen, im Sand finden wir die Freßstellen großer Rochen, sehen aber nur einige kleinere Stachelrochen.
Der abschließende Tauchgang hört auf den hochtrabenden Namen "Peak performance buoyancy" und beinhaltet die Balance und Bewegung unter Wasser. Wir lernen zum Einen unterschiedliche Möglichkeiten, die Flossen einzusetzen zum Andern trainieren wir die Tarierung mit Hilfe der Atmung. Das geht harmlos los, man liegt über dem Boden und hebt und senkt sich ohne den Boden zu berühren. Dann muss man knapp über dem Boden schweben und bekommt verschiedene Gewichte in die Hand. Man muss den zusätzliche Abtrieb sofort durch Einatmen ausgleichen. Bis zu vier Kilo schaffe ich, sechs drücken mich unweigerlich in den Sand. Dann gibts Kopfstände im Sand, anheben und absenken per Atmung anders herum. Wir tauschen unter Wasser die Jackets um zu sehen, dass man auch mit Flasche und Jacket unter dem Arm tariert bleibt. Das hat den schönen Vorteil, dass ich für den Abschluss Wolfs Flasche habe in der noch endlos Luft ist. Erstaunlich, wie wenig er braucht. Man startet mit zweihundert Bar, nach einem Tauchgang hatte ich noch fünfundzwanzig, Ole, der Divemasterschüler fünfzig und Wolf Einhundertundzehn.
Die Luft verballere ich beim abschließenden Programmpunkt: Moonwalk. Flossen aus und rumgealbert. Man kann unter Wasser wie auf dem Mond in Schwerelosigkeit herumhüfen, Salti schlagen, dem Anderen auf die Schultern springen, Wettrennen veranstalten und so lange Kapriolen schlagen, bis einem schlecht wird. (Auch das ist kein Problem, man soll durch den Atemregulator kotzen können.)
Fettich, Kurs bestanden, als Talisman gibt es einen Seeigelstachel, den Wolf unten gefunden hat.
Am nächsten Tag machen wir einen schönen Ausflug zur Vulkaninsel Una Una, tauchen um eine Felsnadel und entlang einer eindruckvollen Steilwand. Leider ereilt mich Montezumas Rache, keine schöne Angelegenheit, wenn man in einem Taucheranzug steckt oder im Schnellboot unterwegs ist. Den Abend verbringe ich in innigem Austausch mit der Toilette.
Den nächsten Tag nehme ich zum Ausruhen, schnorchele nur etwas und finde eine nebst anderem Viechzeug endlich auch eine Seeschlange, schön schwarz weiss gebändert durchsucht sie den Korallenbruch, taucht hin und wieder zum Atmen auf.

Nach einem letzten sehr entspannten Tauchgang entlang der Taipi Wall am letzten Tag packe ich meinen Kram. Die Überfahrt nach Gorontalo geht die ganze Nacht, man kann sich eine Matratze mieten und an Deck schlafen. Als es anfängt zu regnen, verziehe ich mich in einen Gang, später gibt es dort eine Käferinvasion, der ganze Gang ist plötzlich voll mit Krabbelzeug. Ich bin aber so verschlafen, dass ich es kaum mitbekomme, als sie rausgefegt werden. Wunder der Natur.

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